Corona-Müdigkeit nimmt zu – Freizeit als Chance zum Batterien-Auftanken
Nach einem Jahr Corona-Pandemie fühlen sich junge Menschen zunehmend erschöpft. 8 von 10 Jugendlichen und jungen Erwachsenen hoffen auf eine Auszeit vom Pandemiealltag. Freizeit ist in diesem Szenario eine wichtige Ressource für Ausgleich und Entspannung. Sie ist der Lebensbereich, in dem junge Menschen Energie tanken, um in der als zunehmend belastend empfundenen Pandemiesituation emotional stabil zu bleiben.
Was macht die Generation Corona in ihrer Freizeit besonders gerne? Welche Erlebnisangebote punkten nach einem Jahr Pandemie? Wie steht es um die freizeitbezogene Mediennutzung nach den langen Monaten, in denen nahezu sämtliche Lebensbereiche – von der Ausbildung, über den Beruf bis zur Freizeitgestaltung – auf digitalen Distanzmodus umgestellt waren? Und welche Freizeitangebote findet die Generation Corona „echt uncool“? Die neue große Jugendfreizeitstudie des Instituts für Jugendkulturforschung „Leisure ist Pleasure 2021“ gibt darüber Auskunft. Und sie zeigt darüber hinaus auf Basis einer Zeitreihenanalyse, wie sich die Mind-Sets der Jugendlichen und jungen Erwachsenen während der langen Monate, die die Covid-19-Pandemie nun schon andauert, verändert und die Jugendlichen und jungen Erwachsenen ihr Verhältnis zu Gemeinschaft und Gesellschaft neu bestimmt haben.
Die jugendliche Gesellschaft der Altersgleichen sucht den Präsenzmodus
Jugendliche und junge Erwachsene haben in ihrer Freizeitgestaltung Nachholbedarf, vor allem was Peer-Kontakte im Präsenz-Modus betrifft: 69% genießen es, mit Freunden und Freundinnen einfach nur gemütlich zusammensitzen und quatschen zu können. 68% wollen in der Freizeit mit den Freunden und Freundinnen gemeinsam etwas unternehmen. Von digitaler Kommunikation, die in den Lockdowns die nahezu einzige Möglichkeit war, Kontakte zu halten, haben die meisten mittlerweile genug: Lediglich 24% nennen Videochats mit Freunden mit Freundinnen in der Reihe der von ihnen bevorzugten Freizeitaktivitäten.
Doch nicht nur jugendliche Geselligkeitskulturen spielen in den Bildern, die die Generation Corona von idealer Freizeitgestaltung hat, eine große Rolle. Auch nichts tun und relaxen, raus in die Natur gehen oder sich ganz auf die eigenen Hobbys und Interessen konzentrieren und dabei in ein „Flow-Gefühl“ abtauchen liegen im Ranking der nicht-medienbezogenen Freizeitgestaltung bei 16- bis 29-Jährigen weit oben. Aktivitäten, die während der letzten Pandemiemonate die öffentliche Debatte rund um eingeschränkte Freizeitmöglichkeiten dominierten, wie etwa Fitnesstraining, Eventbesuche oder Shopping-Touren, sind hingegen nur für rund ein Drittel der Jugendlichen und jungen Erwachsenen attraktiv und belegen im Beliebtheitsranking damit bemerkenswerterweise lediglich das untere Mittelfeld.
Jugend ist „outgoing“: ja, aber nicht mehr so stark wie vor der Pandemie
Ein Jahr Pandemieerfahrung hinterlässt, wie die neue Studie des Instituts für Jugendkulturforschung zeigt, auch in den Selbstkonzepten junger Menschen Spuren. Der Anteil derer, die sich als gesellig-extrovertiert beschreiben, ist rückläufig: Im Herbst 2019, also vor der Pandemie lag er bei 47%, im Frühjahr 2021 kommt der Typus der Gesellig-Extrovertierten hingegen nur mehr auf 40%. Die Gruppe derer, die sich als introvertiert und zurückgezogen, aber nicht einsam bezeichnen, ist über die langen Pandemiemonate anteilsmäßig hingegen stabil geblieben. Was aber auffällt, ist, dass sich ein Gutteil der Introvertierten nach einem Jahr Corona-Pandemie mit erstaunlich hoher emotionaler Distanz gegenüber der Gesellschaft der Altersgleichen positioniert.
Was darüber hinaus hellhörig macht: Rund jede/r Zehnte aus unteren Bildungsschichten fühlt sich nach einem Jahr zunehmend sozial entkoppelt und sagt: „Ich kann mit den Leuten, die rund um mich sind, nichts anfangen und fühle mich manchmal ein bisschen einsam.“
Jugendfreizeit ist auch Medienfreizeit: Social Media sind nicht ganz so beliebt, wie man meint
Jugendzeit ist Medienzeit, so formulierte der große, bereits verstorbene deutsche Jugendforscher Dieter Baacke in den 1980er Jahren. Daran hat sich über die Jahrzehnte grundsätzlich nichts geändert, das Medienfreizeitrepertoire Jugendlicher und junger Erwachsener ist aber heute natürlich dennoch ein völlig anderes. Die Medienfreizeit der Generation Corona wird von Musik hören (65% Nennungen), Streamingdiensten (60% Nennungen) und YouTube (57% Nennungen) beherrscht. Die viel diskutierten Social Communities belegen im Beliebtheitsranking lediglich Platz 4.Wie die Daten der Studie „Leisure is Pleasure 2021“ zeigen, werden Social Media in der Pandemiesituation von jungen Menschen interessanterweise als eher nebensächlich bewertet: Im Ranking der für Jugendliche derzeit wichtigen Lebensbereiche liegen Social Media nur knapp vor Religion und Politik an drittletzter Stelle.
Und wie steht es um das gute alte „Patschenkino“? Die Daten der neuen Jugendfreizeitstudie des Instituts für Jugendkulturforschung lassen wenig hoffen: Lineares Fernsehen ist in der Generation Corona kaum beliebter als Lesen und belegt im Popularitätsranking medienbezogener Freizeitgestaltung lediglich mittlere Ranglistenplätze. Kinobesuche liegen bei den 16- bis 29-Jährigen übrigens auf ähnlichem Attraktivitätsniveau.
Junge Frauen und junge Männer verbringen ihre Medienfreizeit anders
Wie der Geschlechtervergleich zeigt, setzen junge Frauen in der Medienfreizeit andere Akzente als junge Männer. Die Top-3 medienbezogener Freizeitaktivitäten bei jungen Frauen sind Musik hören, via Streamingdienste Filme und Serien schauen und Social Media, die Top-3 medienbezogener Freizeitaktivitäten bei jungen Männern hingegen YouTube, Musik hören und nahezu ex aequo auf Platz 3 Streamingdienste und Gaming.
Gaming erlebt in der männlichen Zielgruppe nach wie vor einen Boom: Jeder zweite männliche Jugendliche und junge Erwachsene (52%) nennt Computer- und Videospiele spielen als Freizeitbeschäftigung, der er besonders gerne nachgeht. Immerhin jeder Zehnte nutzt die freie Zeit auch gerne für Programmieren/Coding.
Die Mind-Sets der 16- bis 29-Jährigen sind nach einem Jahr herausfordernder Pandemieerfahrung widersprüchlich
Die im Rahmen der Studie „Leisure is Pleasure 2021“ durchgeführte Zeitreihenanalyse macht deutlich, dass Covid-19 nicht nur Auswirkungen auf die Freizeitbedürfnisse und Freizeitkulturen junger Menschen hat. Auch die sozialen Orientierungsmuster 16- bis 29-Jähriger haben sich über die langen Pandemiemonate verschoben. Zu Beginn der Pandemie war bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen ein Schub an Gemeinsinn, verbunden mit einem Abrücken von ausgeprägt ego-individualistischen Lebensphilosophien, zu beobachten. Nach einem Jahr Pandemie stehen wir wieder dort, wo wir im Herbst 2019, also vor der Pandemie standen: Bei den meisten ist die Luft draußen. Sie sind um ihre Lebenschancen besorgt, fühlen sich erschöpft und konzentrieren ihre Energien auf sich selbst. Selbstbehauptung, Eigenverantwortung und Rückzug ins Private markieren Leitwerte, mit denen Jugendliche und junge Erwachsene ihren persönlichen Weg aus der Pandemie suchen. Dabei verbinden sie durchaus Widersprüchliches: Sie positionieren sich selbstbewusst als erfolgsorientierte NeustarterInnen, pflegen fernab von Ausbildung und Beruf aber die Lebensphilosophie rückzugsorientierter Privatiers.
Hier findet Ihr das Bestellformular für die komplette Studie: https://jugendkultur.at/wp-content/uploads/Bestellformular_Leisure_is_Pleasure-2021.pdf