Vater werden? Ich??? Niemals! Noch vor gar nicht allzu langer Zeit hätte ich jedem, der mir eine Vaterschaft prophezeit hätte, laut ins Gesicht gelacht. Ich bin im Herzen selbst noch ein Kind geblieben, da habe ich weder die Zeit noch die Lust, mich um so ein plärrendes Windelpaket zu kümmern. Das liegt nicht daran, dass ich Kinder nicht mögen würde. Ich habe mich in der Rolle als Onkel meiner zahlreichen Nichten und Neffen immer sehr wohlgefühlt (endlich fand mich jemand mal cool). Mit den Kleinen Quatsch machen und angehimmelt werden, aber sobald die Trotzphase einsetzt oder Stinkbomben abgeworfen werden, bin ich weg – das war der Idealzustand. Mehr brauche ich wirklich nicht. Davon war ich fest überzeugt…
Tja, und dann lernte ich völlig unerwartet die Frau fürs Leben kennen. Sie war die Erste, mit der ich mir sogar vorstellen konnte, eine Vaterschaft zu meistern. Der Gedanke hat mich immer noch nicht in Begeisterungsstürme versetzt. Aber ganz ausschließen wollte ich Nachwuchs plötzlich nicht mehr. Und so kam es, wie es kommen musste: Kurze Zeit nach unserer Hochzeitsreise wurde mir eines Abends mit fröhlichem Grinsen auf dem Gesicht ein positiver Schwangerschaftstest präsentiert. Glaubt mir, ich habe mich im ersten Moment wirklich gefreut. Doch schon in der Nacht darauf machten sich auch erste panische Gedanken bemerkbar.
Saure Gurken und Tränen bei „Shopping Queen“
Ich habe in meinem Leben genügend Filme und Serien gesehen, um zu wissen, was mich während der Schwangerschaft erwartet: eine Frau, die mich nachts weckt, damit ich ihr mit Nutella beschmierte saure Gurken bringe – und zwar SOFORT! Eine Frau, die sich morgens erst einmal lautstark übergeben muss und die völlig grundlos in Tränen ausbricht oder einen Streit vom Zaun bricht, nur um dann wieder der Inbegriff der Glückseligkeit zu sein. Zu meiner Überraschung habe ich schnell gemerkt, dass dies anscheinend doch nur Klischees sind, die mit der Realität oft nur wenig zu tun haben. Okay, das mit den Tränen stimmte, die flossen schon mal bei „Shopping Queen“ oder der „Merci“-Reklame. Aber ansonsten war meine Frau überraschend entspannt – ganz im Gegensatz zu ihrem Göttergatten.
Ich wurde mit jedem Tag nervöser. Neun Monate sind verdammt wenig Zeit, um noch mal all das zu tun, was den Aussagen befreundeter Eltern zufolge nach der Geburt des Kindes nicht mehr möglich sein kann. Wie soll man nur die letzten Momente der Freiheit genießen, wenn einem von allen Seiten gesagt wird, auf was man bald alles verzichten muss. Schlaf? Fehlanzeige! Freizeit? Kannst Du vergessen! Und dann das Wickeln! Meine größte Angst! Wird es mir gehen wie meinem Onkel, der einer Legende nach seinen Kindern mit Taucherbrille und Spuckeimer bewaffnet die Windeln gewechselt hat? Ich will das nicht! Nur … was ist dieses komische Gefühl, das sich neben der Panik in meinem Bauch eingenistet hat?
Andere Väter – gleiche Ängste
Beim Vater-Wochenende des Schwangerschaftskurses meiner Frau traf ich dann auf eine Gruppe werdender Väter, die an sich verschiedener nicht sein konnten. Da saß dann ein souverän auftretender „Meine Frau – mein Haus – mein Auto“-Typ neben einem eher alternativen Lebenseinstellungen folgenden Jogginghosenträger. Aber schnell hat sich herausgestellt, dass wir gerade in Bezug auf die eigentliche Geburt alle die gleichen Sorgen hatten: Die Vorstellung, zusehen zu müssen, wie unsere Frauen stundenlang Schmerzen auszustehen haben, während wir völlig hilflos danebensitzen. Dass wir im Prinzip nutzlos sind – und irgendwie ja auch verantwortlich für die Schmerzen. Immerhin: Nicht bei der Geburt dabei sein zu wollen, kam für keinen in dieser bunt zusammengewürfelten Gruppe in Frage.
Je näher der Geburtstermin rückte, umso größer wurden der Bauch meiner Frau und die Ängste ihres Mannes. Bin ich wirklich bereit, Vater zu sein? Kann ich mein Kind vor allem beschützen, was in dieser Welt so auf es wartet? Und was ist, wenn bei der Geburt etwas passiert? Auch wenn diese Befürchtungen allgegenwärtig waren, so wuchs ein kleines Mädchen in meinen Armen zu halten? Meine Tochter! Klang in meinen Ohren immer noch ganz eigenartig. Aber auch sehr schön.
Und dann war es so weit: Bei meiner Frau setzten die Wehen ein. Also schnell die bereits gepackte Tasche geschnappt und langsam zum nicht weit entfernten Krankenhaus gelaufen. Es hat noch etwas gedauert, bis wir in den Kreißsaal geführt wurden. Bis unsere Tochter das Licht der Welt erblickte, sollte dann noch etliche Zeit vergehen. Ja, einige Befürchtungen haben sich in diesen Stunden bestätigt. Ich habe mich hilflos dabei gefühlt, mit anzusehen, wie schmerzvoll die Geburt für meine Frau war. Aber sie hat mich auch spüren lassen, dass meine Anwesenheit ihr sehr geholfen hat.
Der Moment, in dem unser Kind zur Welt kam, ist irgendwie völlig verschwommen, so überwältigend waren die Emotionen. Ich weiß, dass ich die Nabelschnur durchgeschnitten habe (was ich mir niemals zugetraut hätte) und dass kurz danach der erste kleine Schrei den Kreißsaal erfüllt hat. Und dann war sie da. Und mein Leben hat sich verändert. Nicht so, wie es mir prophezeit wurde, aber dennoch radikal. Schlafen kann ich zwar immer noch gut (nicht neidisch sein, liebe Eltern der Augenring-Fraktion), aber manchmal ist das ununterbrochene Einfordern von Aufmerksamkeit echt anstrengend. Die ersten Trotzphasen stellen sich als Herausforderung für die elterlichen Nerven heraus und „Benjamin Blümchen“ in Dauerschleife sollte als Verstoß gegen die Genfer Konvention angesehen werden.
Allen guten Vorsätzen zum Trotz muss ich zudem feststellen, dass mich mein mittlerweile dreijähriges Töchterlein immer wieder gekonnt um den Finger wickelt. Ich hatte recht, Vater sein ist nicht immer leicht. Aber ein Lachen oder ein „Hallo, liebster Papa“ reichen schon aus und die Welt ist wieder in Ordnung. Ich, ein glücklicher Vater? Darauf könnt Ihr aber wetten!